Guten Tag, meine Name ist Renate, ich bin Jahrgang 1959

Von Beruf Groß- und Außenhandelskauffrau.
Ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder.
Meine Symptome: Kopfschmerzen, Migräne, Kreislaufprobleme, Übelkeit, Sehstörungen und Probleme mit
dem Gehör (inzwischen zwei Hörgeräte), Atemnot, Tinnitus, Taubheit in den Extremitäten,
Schweißausbrüche, Hautausschlag, Blackout, Orientierungsprobleme. Das und noch viele andere
Beschwerden begleiteten mich seit vielen Jahren.
Ärztliche Untersuchungen erbrachten kein Ergebnis.

Schon seit meiner Kindheit gab es Gerüche, die ich als unerträglich empfand.
Da war z.B. der Weihrauch-Geruch in der Kirche. Als 5-jährige wurde ich aufgrund von Weihrauch
bewusstlos.

Als Jugendliche brach ich zusammen, als ich bei Nachbarn zu Besuch war. Die Kleidung der Nachbarn roch
immer sehr stark nach Weichspüler.

Parfüm, Haarspray, Zahncreme, Putzmittel und vieles mehr führten zu schlimmen Kopfschmerzen und
Übelkeit. Immer wieder wurde ich aus unerklärlichen Gründen bewusstlos. Klappte einfach zusammen.

Im Büro inmitten von frisch gedruckten Katalogen hatte ich täglich Kopfschmerzen und Kreislaufprobleme.
Trotz Brille konnte ich am Bildschirm kaum etwas erkennen. Von Konzentration war keine Rede mehr. Die
einfachsten Dinge konnte ich mir nicht mehr merken.

Natron-Kartons, die wir als Verpackungsmaterial benötigten rochen meiner Meinung nach wie ranzige
Milch. Hinzu kam der Toner-Geruch vom Kopierer und Drucker. Es war eine richtig dicke Luft.  Mich
irritierte, dass meine Kollegen und Kolleginnen von all den Gerüchen nichts wahr nahmen. Im August 2010
wurden wieder Kataloge geliefert und alles in unserem kleinen Büro deponiert.  Ich bekam Atemnot und
wollte nur noch nach Hause. Wie ich mit dem Auto nach Hause kam, ist mir bis heute ein Rätsel.

Beim Allergologen brach ich aufgrund der Düfte von Patienten und Desinfektionsmittel vor den Augen des
Arztes zusammen.  Allergischer Schock - nach der Erstversorgung wurde ich vom Notarzt in der Praxis
abgeholt und ins Krankenhaus gebracht.

Sauerstoff brachte Linderung und nach einigen Stunden ging es mir wieder so gut, dass ich nach Hause
konnte.  So erging es mir in Arztpraxen und in öffentlichen Einrichtungen des Öfteren.

Von da an begann der Ärzte-Marathon. Untersuchungen von Allergologen über Pneumologen. Weiter zur
Klinik für Allergien in Karlsruhe, dann in die Uniklinik Mannheim. Immer wieder versuchte ich zu erklären,
dass Düfte für meine Zusammenbrüche schuld sind. Daraufhin wurde ich hauptsächlich „belächelt“.  Ich
erschien zu meinen Terminen mit „MCS-Maske und Baumwoll-Handschuhen“, damit ich die Untersuchungen
überhaupt durchhalten konnte.

Einmal wurde mir in einer Klinik gesagt, dass ich in Deutschland nicht mit so einer Maske herumlaufen
könne. Und ob ich das kann! Eine andere Möglichkeit habe ich nicht, wenn ich außerhalb meiner
duftneutralen Umgebung bin.

In meinem Gepäck habe ich immer eine Sauerstoffflasche und eine Adrenalin-Spritze. Die
Baumwollhandschuhe sind sehr hilfreich, wenn ich zum Beispiel einen Einkaufswagen schieben muss oder
ich mich am Handlauf einer Rolltreppe fest halten muss. Die meisten Menschen benutzen parfümierte
Handcreme. Dieser Duft bleibt gnadenlos haften.

Bei den mehrfach durchgeführten Untersuchungen wurden Laktose-, Fruktose- und Histamin-Intoleranz
sowie eine Reihe von Allergien und Unverträglichkeiten erkannt.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich noch eine Sonnen-, Wärme- und Lichtunverträglichkeit. Sollte ein
Aufenthalt im Freien nicht zu vermeiden sein, so schütze ich mich mit einem silber-metallic beschichteten
Schirm vor Sonne und Licht.

Kaminrauch, Autoabgase und Waschmittel- und Weichspüler getränkte Wäsche, die zum Trocknen im
Freien hängt, Körperpflegeprodukte und Düfte von medizinischen Salben und Cremes machen mir das
Leben zur Hölle! Alle Düfte auf chemischer Basis sind für mich unverträglich.

Seit meiner Erkrankung können wir keinen Besuch empfangen. Niemand kann zu uns in die Wohnung. Ich
selbst kann nicht mehr raus aus der Wohnung. Zeitungen, Kataloge und Päckchen müssen erst einen Tag
auf dem Balkon deponiert werden, bevor ich sie öffnen bzw. darin lesen kann. Jeder Duft macht mich
tagelang kraftlos und versetzt mich in eine Art Bewusstlosigkeit mit Muskel- und Gelenkschmerzen.

Mein Mann muss alle Erledigungen außerhalb der Wohnung verrichten. Eine andere Person kann mich nicht
pflegen, da niemand außer ihm duftneutral ist.  Er begleitet mich zu Ärzten und Behörden. Klärt im Vorfeld
ab, dass der Raum gelüftet werden muss und informiert die Gesprächspartner, warum das so sein muss!

Wir MCS Betroffene wissen, dass einmaliges Duschen und Wäsche waschen mit duftneutralen Produkten
nicht ausreicht.

Die duftneutralen Produkte - Körperpflege, Waschmittel, Haushaltsartikel - bestelle ich im Internet. Diese
sind leider sehr teuer und mit der kleinen Erwerbsunfähigkeitsrente muss man gut haushalten.

Seit Juli 2012 bin ich erwerbsunfähig. Auf meinen ersten Antrag auf Schwerbehinderung wurde mir ein GdB
(Grad der Behinderung) von 20 zugesprochen. Durch einen Widerspruch erhielt ich 30 GdB. Dieses Urteil
machte mich so wütend und hilflos, dass ich mich erst nach einem halben Jahr an die
Patientenbeauftragte in Berlin wandte. Sie riet mir, einen neuen Antrag wegen Verschlechterung zu
stellen. Kaum zu glauben, als ich ein paar Monate später meinen Schwerbehinderten-Ausweis mit einem
GdB von 50  in den Händen hielt. Natürlich ist das immer noch zu wenig, aber momentan fehlt mir die Kraft
in dieser Angelegenheit weiter zu kämpfen.

Mit MCS kann ich natürlich keine Vergünstigungen für Kino, Theater, Museen usw. in Anspruch nehmen,
weil ich die Wohnung nicht mehr verlassen kann   - in unserer Wohnung habe ich ein kleines
Rückzugs-Zimmer, es ist duftneutral und es wird auch nicht beheizt -     aber der Ausweis bringt
zumindest steuerliche Vorteile.

Meine Bücher kann ich dank der modernen Technik als Ebook lesen. Wochenlanges lüften der Bücher ist
nicht mehr notwendig.

Seit 2011 bin ich in psychologischer Betreuung - nehme aber keine Antidepressiva oder sonstige
Beruhigungsmittel ein. Ein Versuch zeigte mir, dass ich bei Einnahme der Medikamente sehr labil bin.